Nach insgesamt drei Verschiebungen und nun auch drei großen Patches möchte ich euch an dieser Stelle einen Testbericht zum Piratenabenteuer Raven’s Cry von Reality Pump präsentieren. Ich persönlich habe mich wirklich auf dieses Spiel gefreut und hatte Hoffnung, dass die Entwickler es doch noch irgendwie retten.
Nachdem ich nun diverse Tests gelesen und einige Let’s Play-Video gesehen hatte, wollte ich immer noch nicht so recht daran glauben, dass es so schlecht ist. Ein Metacritic-Score von aktuell 31 und durchweg negative Reviews bei Steam sprechen allerdings Bände.
Ich ließ mich aber nicht dadurch beirren und habe mich mit dem Publisher Topware Interactive in Verbindung gesetzt. An dieser Stelle ein großes Dankeschön für das Testmuster!
Die Geschichte
Soviel steht fest – mit dem Piraten Christopher Raven möchte man nicht an einem Tisch sitzen und gemeinsam Rum trinken. Skrupellos und brutal sind noch nette Umschreibungen für diesen gedungenen Mörder.
Als er im Auftrag eines Spaniers einen Landsmann auf den Grund des Meeres schickt und anschließend für seine Dienste entlohnt werden will, wird er vom Auftragsgeber verraten und muss aus der Stadt San Juan fliehen. Sein Schiff brennt im Hafen und er türmt zusammen mit seinem Freund und Mentor Marcus in einem gestohlenem Boot nach Saint Lucia.
Es fehlt ein adäquates Schiff zum Plündern und Rache nehmen und wie es der Zufall so will gibt es auf Saint Lucia einen Kapitän, der seine Crew drangsaliert und foltert. Raven wird von einem Crewmitglied darauf hingewiesen und übernimmt nach einem Zweikampf gegen den brutalen Kapitän sein neues Schiff nebst Mannschaft.
So weit so hanebüchen. Von Rachegedanken getrieben verlässt die Piratenbande den Hafen von Saint Lucia zur Jungfernfahrt und findet auf hoher See ein verlassenes Schiff voller Leichen und einem aufgespießten Kapitän. Dies erinnert Raven an den Tod seines Vaters, der in der Vergangenheit auf die selbe Art und Weise umgekommen ist. Christopher schwört Rache und jagt von nun an den noch fieseren Piraten Neville.
Damit ist auch schon der grobe Handlungsrahmen abgesteckt. Leider wird hier das Potential der Piratenzeit nicht völlig ausgeschöpft und schlimmer noch – es gibt einige Ungereimtheiten in der Geschichte.
Exemplarisch möchte ich hier auf den „erbarmungslosen“ Piratenjäger Santorio hinweisen, welcher von Christopher Raven im Laufe der Handlung zwecks Informationsbeschaffung aufgesucht wird. Raven wird vor diesem hundsgemeinen Typen gewarnt und ihm wird klargemacht, dass Santorio mit Piraten kurzen Prozess macht. Er lässt sich nicht beirren und fährt trotzdem hin um mit dem Piratenschlächter ein nettes Pläuschchen am Pier zu halten. Santorio erkennt sofort, dass unser Hauptcharakter ein Pirat ist aber anstatt ihn festzusetzen oder ihn sogar anzugreifen, gibt er ihm einen Auftrag und verbündet sich sozusagen mit ihm.
Das ist leider nur der Anfang der Misere. Leider kann sich die Geschichte nicht wirklich verbessern und bleibt über das gesamte Spiel recht oberflächig. Auch Hauptcharakter Christopher Raven trägt seinen Teil dazu bei, denn er verhält sich größtenteils wie ein Arsch.
Gameplay
Raven’s Cry spielt sich an Land wie ein klassisches Action-Rollenspiel im Stil von Gothic oder Risen. Es gibt eine Übersichtskarte, auf der man alle wichtigen Örtlichkeiten und Personen erkennen kann und auch das Setzen eines Wegpunktes ist möglich.
Hin und wieder begegnet man auch NPCs, die nicht auf der Karte verzeichnet waren und von sich aus ein Gepräch anfangen. Leider sind die meisten Nebenaufträge recht ähnlich und es handelt sich hier häufig um Aufgaben, in denen wir etwas besorgen sollen oder Jemanden töten dürfen. Dies wäre nicht so schlimm, wenn die Aufgaben gut präsentiert wären oder sich abwechslungsreich gestalten würden aber das meiste ist Standardkost.
Hinzu kommt die sehr schwankende Qualität der Dialoge. Einige sind wirklich recht witzig geschrieben aber hauptsächlich handelt es sich um klischeebehaftete, unkreative und auch völlig peinliche Gespräche. Vor allem der Hauptcharakter erzählt manchmal einen Unsinn, der wahrscheinlich hart klingen soll aber letztendlich eher ins Peinliche abdriftet. Sehr unangenehm ist mir ein Gespräch relativ am Anfang des Spiels aufgefallen. Hier wird in einem Gespräch – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – von einer Dame berichtet, die gut gefickt hat und tolle „Titties“ hat. Wer schreibt solche Dialoge?! Hatten die Entwickler bei Reality Pump da einen 14-jährigen, pubertierenden Schülerpraktikanten zu Besuch?
Die Gefechte an Land können leider nicht überzeugen. Christopher Raven kämpft an Land hauptsächlich mit Säbeln und mit Pistolen wobei er sogar mehrere Pistolen auf einmal ausgerüstet haben kann. Dies ist allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass es zur damaligen Zeit nur Pistolen mit einem Schuss gab. D.h. es wird nach einem Schuss einfach die nächste Pistole eingesetzt und auch das Nachladen dauert eine gewisse Zeit. Das war das Positive.
Es gibt kein richtiges Trefferfeedback in den Kämpfen und durch die viel zu schnellen Animationsphasen ist es auch kaum möglich das Blocken sinnvoll einzusetzen. Bis zu zwei Gegner lassen sich so noch gut in Schach halten aber ab drei Feinden wird ein Kampf völlig unkontrollierbar. Das Gute (wenn man so will) ist hierbei die wirklich schlechte KI. Wenn die Lebensanzeige mal zu leer wird, kann man einfach seine Waffe wegstecken und rennt wie wild um die Gegnerhorden herum. So kann man automatisch heilen und sich fröhlich wieder in den Kampf stürzen. Hier muss Reality Pump definitiv noch nacharbeiten.
Während der Landgänge gibt es aber auch Positives zu erleben. Die Kulissen sind wirklich schön ausmodelliert. In den Hafenstädtchen kommt das Karibikflair wirklich gut rüber und auch die allgemeine Soundkulisse weiß zu gefallen. Besonders gefallen haben mir die Seemannslieder, welche teilweise in den Städten oder in Tavernen zum Besten gegeben werden. Diese klassischen Songs haben Ohrwurmpotential.
Weniger gut ist die Hintergrundmusik in den Städten gewesen. Diese empfand ich als eher eintönig und teilweise sogar als störend.
Pluspunkte kann Raven’s Cry bei den Seegefechten und beim Handel sammeln. Wenn man sich nicht gerade mit einem viel zu mächtigen feindlichen Schiff anlegt, machen die Kämpfe wirklich Spaß. Gerade auch das Schadensmodell der Schiffe ist gelungen und spätestens, wenn einem der Mast um die Ohren fliegt ist man mitten drin.
Leider gibt es da noch Christopher Raven, den ich gerne geknebelt an besagten Mast binden würde. Er deckt seine Mannschaft innerhalb kürzester Zeit immer wieder mit Flüchen und Beleidigungen ein. Dies fand ich anfangs noch ganz witzig aber spätestens ab dem dritten Seegefecht nerven seine immer gleichen Sprüche nur noch.
Der Handel zwischen den verschiedenen Städten ist solide implementiert. Angebot und Nachfrage sind in den jedem Hafen unterschiedlich und so kann man, wenn man möchte, auch ohne allzu oft zu kämpfen zu Geld kommen.
Positiv empfand ich auch die Möglichkeit die Schiffe beim Schiffsbauer mit verschiedenen Upgrades zu verbessern und zu reparieren. Es ist auch möglich sich komplett neue Schiffe zu organisieren und es somit auf See mit größeren Pötten aufzunehmen. Diese können entweder versenkt oder geentert werden. Das Entern klappt aber nur, wenn das eigene Schiff größer ist, als der feindliche Pott. Der Vorgang spielt sich leider in einem Bildschirm ab und man hat keine Möglichkeit direkt am Geschehen teilzunehmen. Hier wurde Potential verschenkt.
Technik
Grafisch gesehen bewegt sich das Spiel nicht auf der Höhe der Zeit. Es ist nicht wirklich hässlich, denn die Städte sind wirklich schön gestaltet und auch die Charaktere sind, meiner Meinung nach, recht gut gelungen. Allerdings sieht das Ganze eher nach einem Spiel von vor 3-5 Jahren aus und nicht nach einem AAA-Titel aus dem Jahr 2015.
Eine richtige Frechheit sind die Hardwareanforderungen, denn die empfohlenen 8 GB Arbeitsspeicher stehen in keinem Verhältnis zur gebotenen Grafik- und Spielqualität. Diese hohen Anforderungen lassen auf eine eher unoptimierte Engine schließen und diese Vermutung bestätigte sich auch beim Testen. In den Innenräumen lief das Spiel zu jeder Zeit flüssig aber in den Außenarealen leidet die Framerate doch sehr stark.
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die Soundabmischung. In vielen Dialogen ist es nicht möglich das Gesprochene zu verstehen, weil entweder die Hintergrundgeräusche oder Gespräche von NPCs viel lauter sind als der eigentlich wichtige Dialog. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.
Des Weiteren ist mir unangenehm aufgefallen, dass einige NPCs mit Aufträgen einfach geklont wurden. Dies ist besonders ärgerlich, weil es eigentlich genug unterschiedliche Charaktermodelle zu geben scheint.
Alles in allem hinterlässt Raven’s Cry einen technisch eher durchwachsenen Eindruck.
Fazit
Ich wollte nicht glauben, dass die Entwickler der wirklich guten Two Worlds-Reihe so ein schlechtes Spiel herausgebracht haben. Leider muss ich sagen, dass Raven’s Cry auch unter Linux kein spaßiges Spiel geworden ist.
Die Ansätze sind da und auch das Piraten-Setting hätte eigentlich alles hergegeben für ein klasse Spiel. Leider ist irgendetwas in der Entwicklung wirklich fatal schief gelaufen. Hier passt der Anspruch, ein AAA-Titel zu sein und das letztendlich abgelieferte Ergebnis in keinster Weise zusammen.
Wenn es wirklich nur die technischen Schwächen wären, könnte man das Projekt mit einigen großen Patches noch retten. Leider ist auch die Geschichte platt und vor allem die Dialoge haben ein so hohes Fremdschämpotential, dass man schon eine sehr große Frustrationstoleranz braucht um an Raven’s Cry seinen Spaß zu haben.
Von mir gibt es keine Kaufempfehlung. Vor allem nicht als Vollpreistitel. Vielleicht später, wenn das Spiel auf 10€ heruntergesetzt ist. Ich hatte mir beim Testen wirklich oft eine Buddle voll Rum gewünscht. 😉