Life is Strange besteht aus insgesamt 5 Episoden, wovon die erste Episode kostenlos spielbar ist. Für wen es sich lohnt, die kostenpflichtigen Episoden 2-5 dazu zu kaufen, dieser Frage gehen wir im Test nach.
Die Zeit der Jugend prägt einen jeden Menschen auf seine Art. Gemeinsam mit Freunden werden spaßige Dinge erlebt, traurige und verrückte Dinge überstanden, es werden Freundschaften aufgekündigt nur um sie Tage später wieder zu schließen. Die Schule mit den unterschiedlichsten Mitschülern ist ein anstrengender Ort und nicht selten möchte man einigen Gleichaltrigen einen Stempel mit den Worten «Tussy», «Playboy» oder «Milliardärs-Sohn» auf die Stirn klatschen.
In so einer typischen Welt lebt Maxine «Max» Caulfield, die vom Spieler übernommene Protagonistin. Doch der Schein einer vermeintlich normalen Jugend trügt, das stellt sich gleich zu Beginn der ersten Episode heraus: Durch einen tragischen Vorfall mit ihrer Freundin «Cloe» muss Max erkennen, dass sie die Zeit zurückdrehen kann. Auf einen Schlag ist nichts mehr so, wie es war. Besonders der Umstand, dass die Umwelt von Max auf ihre Zeitreisen reagiert, lässt im Spielverlauf ein Feuerwerk an Emotionen hochgehen welches kaum einen Spieler kalt lässt.
Alle Episoden zusammen veranschlagen ungefähr 13 Spielstunden die sehr gut unterhalten. Die Linux-Fassung ist Feral Interactive zu verdanken und existiert seit dem 21. Juli 2016.
Geschichte
Die emotionale Story von Life is Strange bildet den Kern des Spiels. Annähernd alle Entscheidungen von Maxine verändern die Beziehungen zu den betroffenen Menschen. Allesamt Mitmenschen, zu denen Max jeweils eine besondere Beziehung hat: Die Einen mag sie, die Anderen mag sie nicht. Wie sie diese Beziehungen weiterhin führt darf der Spieler entscheiden, alle Bekanntschaften verändern sich jeweils mit den Entscheidungen die man trifft.
Den roten Faden stellt die Freundschaft zu Cloe und gleichzeitig die mysteriösen Geschehnisse dar. Das Internat «Blackwell Academy» umgeben viele Fragen die einer Antwort bedürfen: Wieso besitzt der reiche Schnösel eine Pistole? Weshalb verfolgt der Stiefvater von Cloe, seinesgleichen angestellt für die Security am Internat, die introvertierte Mitschülerin Kate Marsh? Und überhaupt: Wo zum Kukuck steckt das seit Monaten vermisste Mädchen Rachel Amber? Rachel war bis anhin die beste Freundin von Cloe und ist spurlos verschwunden. In dieser Kleinstadt gehen unbestritten merkwürdige Dinge vor.
Die Tatsache, dass Max die Zeit zurückdrehen kann, inszeniert das Spiel mit aufrichtiger Leidenschaft: Ihre Freundin Cloe möchte nämlich einen Beweis dafür und so sagt man Cloe kurzerhand die Zukunft voraus. Als Cloe bewusst wird, dass ihre Freundin tatsächlich fähig ist die Zeit zurück zu drehen, flippt sie fast völlig aus, «Hey Max, ist das geil! Wir können die ganze Welt verändern!», kreischt sie vor Freude, «Los komm, lass uns raus gehen und unmögliche Dinge anstellen!» Als Spieler huscht einem unweigerlich ein breites Grinsen über das Gesicht. Ja, das ist cool!
An vielen Stellen konfrontiert uns das Story-Adventure mit ganz alltäglichen Problemen, und immer wieder hilft uns eine kurze Zeitreise zurück in die Vergangenheit um die vermeintlich beste Lösung zu finden.
Life is Strange schafft es über alle fünf Episoden hinweg sehr viele Gefühlswallungen an den Spieler zu vermitteln. Die Geschichte zwischen Max und Cloe nimmt an Fahrt auf, es passiert ununterbrochen etwas trauriges, etwas schönes, nachdenkliches, verrücktes und der Spieler ist jedes mal mitten drin. Das Ende von Episode 3 stellt einen ganz besonderen Höhepunkt dar, der mit den Worten «OH MEIN GOTT!» vielleicht schon jetzt, noch vor dem Show-down in Episode 5, zu ein paar Tränen führt. Spätestens zu Beginn von Akt 4 drängt sich die Frage auf: Was, wenn jede neue Entscheidung alles nur noch schlimmer macht, obwohl man eigentlich nur Gutes tun möchte?
Gameplay
Abseits der Zeitreise und den vielen Dialogen zählt auch das Entdecken, ein bisschen wie ein Detektivspiel, zur Hauptaufgabe von Max. Immer dort wo die Geschichte weiter geht darf Maxine die Umgebung erkunden und kommt dank ihrer Fähigkeit an Gegenstände oder Informationen heran, die sonst unerreichbar gewesen wären. Schwer wird das Spiel dabei nie. Vereinzelt wirkt die Sucherei langatmig wenn man einen dringend benötigten Gegenstand nicht sofort findet, die fortlaufende Geschichte entschädigt dann aber rasch wieder.
Als schlecht zu bezeichnen bleibt lediglich ein Abschnitt im letzten, fünften Akt in Erinnerung: Während Life is Strange seinem Ende entgegen rennt und das Ziel zum Greifen nahe ist, muss der Spieler unverhofft eine nervige Schleich-Passage durchlaufen. Dieser Abschnitt möchte zwar das Geschehene aufarbeiten, nervt dabei aber nur. Das ist schade und fühlt sich an wie ein versehentlicher Klecks in dem sonst passenden Gesamtbild.
Am Ende des Spiels wird man erkennen müssen, dass die Entscheidungen zwar innerhalb der Episoden einen starken Einfluss haben, aber nicht auf das effektive Spielende. Davon gibt es durchaus Unterschiedliche und als Spieler steht man unweigerlich vor der Entscheidung, das Ende zu wählen, was für einem selbst das richtige Ende ist. Doch was ist in diesem Spiel schon richtig, und was falsch?
Grafik
Life is Strange basiert auf einer verbesserten Unreal 3 Engine. Die Lichtstimmung überzeugt, wenngleich die Details der Welt, der Umgebung und aller Charakteren etwas mau sind. Doch, für diese Art von Story-Spiel passt der Grafikstil und wirkt nur in einem Punkt störend: Der Mimik.
Leider werde alle animierten Gesichter den tollen Sprechern nicht gerecht. Am deutlichsten fällt das während dem Show-down in Episode 5 auf. Während die englischen Sprecher einen fantastischen Job abliefern, lassen sich die Gefühle nur schlecht aus den Gesichtern der Charakteren ablesen. Hier hätte der Entwickler DONTNOD Entertainment mehr Zeit investieren sollen.
Als Mindestvoraussetzung wird eine Nvidia GTX 640 bzw. Radeon R9 270 angegeben. Für ein ruckelfreies Vergnügen sollte dennoch mindestens eine GTX 760 verbaut sein. Bei AMD Grafikkarten gibt es Probleme das Spiel unter SteamOS ans Laufen zu bekommen. Für den Linux-Desktop gibt der Entwickler einen Mesa 11.2-Treiber als Mindestvoraussetzung an, versäumt es aber die empfohlene AMD-Grafikkarte anzugeben.
Das Spiel testeten wir in 1920×1080 auf einem Gaming Laptop mit einer Nvidia 960M, das Entspricht in etwa einer Desktop-Grafikkarte im Leistungsbereich einer Nvidia 7xx GTX. Ruckler sind keine aufgetreten.
Sound
Dank den exzellenten Synchronsprechern ist die flache Mimik zu verschmerzen. Allgemein erscheint die Vertonung in allen Punkten gelungen, jegliche Charaktere haben eine perfekte Stimme erhalten.
Ein weiterer Kniff für emotionale Höhenflüge beinhaltet die Musik, welche an gewissen Stellen geschickt eingespielt wird. Wenn Max als Beispiel in den Bus steigt und sich vom Stress des Alltags lösen möchte, steckt sie sich Kopfhörer ins Ohr – die Umgebung wird leiser, die Musik umgibt den Spieler wie ein warmes Tuch. Und zwar so lange, bis der Spieler eine Taste drückt.
Fazit
Life is Strange richtet sich an Menschen, die Gefühle zu lassen und nicht blockieren. Wen Entscheidungen und dessen (traurigen) Konsequenzen in Spielen generell kalt lässt, wird es weniger genießen können. Lässt man hingegen dem Spiel die Freiheit sich zu entfalten und saugt die Spielwelt in sich auf, wartet als Belohnung ein emotionales Feuerwerk. Ganz klar eine Empfehlung für Story-Enthusiasten!
Ja, Max‘s Freundin Cloe ähnelt dem Typ, der gemeinhin als «Emo» bezeichnet wird, aber genau das bringt das Spiel fantastisch zur Geltung: Die Jugend, die darin erlebten Undinge der Kindheit und eine unzertrennliche Freundschaft zwischen zwei Mädchen.