„Nur noch ein paar Minuten und dann ist Schluß!“ – Dieser Gedanke kommt einem des öfteren, wenn man erst einmal begonnen hat seine Bürger im neuen Städtebausimulator von Colossal Order zu umsorgen. Das am 10. März 2015 vom Publisher Paradox Interactive veröffentlichte Spiel scheint, was den Suchtfaktor angeht, alles richtig zu machen. In unserem Test beleuchten wir, ob sich ein Kauf für den interessierten Linux-Bürgermeister lohnt.
An dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön für das Testmuster an Paradox.
Das Gameplay
Wer schon einmal einen Teil der Sim City-Reihe gespielt hat, dem kommen viele Elemente von Cities: Skylines vertraut vor. Nach einer sehr kurzen Ladezeit wird man durch das aufgeräumte Hauptmenü begrüßt. Hier werden neben dem eigentlichen Menü zusätzlich Neuigkeiten der Entwickler und die aktuellsten Modifikationen von Spielern angezeigt. Die Finnen von Colossal Order haben nämlich bei der Entwicklung des Spiels direkt darauf geachtet Modding zu unterstützen und dies über den Steam Workshop angebunden.
Im eigentlichen Menü gibt es die obligatorischen Möglichkeiten sein Spiel zu starten, zu laden, die Spieloptionen zu ändern oder sich seine installierten Inhalte anzusehen und zu verwalten. Interessant ist der Punkt „Werkzeuge“. Hier versteckt sich die Möglichkeit, Gebäude zu modifizieren und eigene Karten zu gestalten. Die so erstellten Kreationen lassen sich ins eigene Spiel einbinden und über Steam mit anderen Spielern teilen.
Wenn ein neues Spiel gestartet wird, gibt Cities: Skylines dem Spieler die Möglichkeit eine Karte auszuwählen. Hier wird ein Vorschaubild angezeigt und es gibt die ersten Statistiken zur Verteilung der Rohstoffe zu sehen. Hier wird zwischen Öl-, Erz-, Agrar-, und Waldrohstoffen unterschieden. Des Weiteren gibt es Informationen zum Wasserspiegel und den ausgehenden Verkehrsverbindungen der Karte. Wer genau hinsieht, findet auch einen Radio-Button um den Straßenverkehr auf Linksverkehr einzustellen.
Nach dem Spielstart findet man sich im eigentlichen Spiel wieder und kann sogleich beginnen die ersten Straßenverbindungen zu bauen. Hier ist darauf zu achten, dass man seine Verkehrsverbindungen an das ein- und ausgehende Verkehrsnetz anbindet. Wer dies versäumt wird sich schnell über die ausbleibende Zuwanderung von Cims (so nennt Colossal Order seine simulierten Bürger) wundern.
Der Straßenbau geht sehr leicht von der Hand und innerhalb kürzester Zeit hat man sich daran gewöhnt. Nicht ganz so leicht und etwas fummelig geraten ist hier der Bau von Brücken und Überführungen. Hier bedarf es einer gewissen Einarbeitungszeit um wirklich befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Es ist möglich von ganz normalen zweispurigen Straßen bis zu sechsspurige Straßen zu errichten. Wer größere Entfernungen überbrücken möchte, kann hier auch auf Autobahnen zurückgreifen. Wenn die eigene Stadt schon weiter fortgeschritten ist, kann man schon gebaute Straßen teilweise aufrüsten und so z.B. durch Anpflanzungen zwischen den Fahrbahnen die Lautstärkeentwicklung verringern.
Direkt mit den gebauten Verkehrswegen verbunden, werden die ausweisbaren Baugebiete vom Spiel selbst erstellt. Hier gibt es für Genreveteranen keine großen Überraschungen aber doch kleine Unterschiede zum klassischen Sim City-Gameplay. Es wird zwischen gering und dicht besiedelten Wohn- und Gewerbe-, Industrie- und Bürogebieten unterschieden. Diese können komfortabel durch verschiedene Füll- und Malwerkzeuge zugewiesen werden und beginnen dann, je nach Bedarf, zu wachsen. Wenn die eigene Stadt noch klein und unbedeutend ist, sind dichte Wohn- und Gewerbegebiete sowie Bürogebiete nicht verfügbar. Diese werden erst ab einer bestimmten Einwohneranzahl freigeschaltet. Alle Gebiete haben gemein, dass sie sich stufenweise weiterentwickeln können. Wenn z.B. die Bildung im Wohngebiet ausreichend ist wir aus einer schäbigen Hütte recht schnell ein recht ansehnliches Wohnhaus.
Hier haben sich die Entwickler von Colossal Order ein motivierendes System einfallen lassen, denn nicht nur die besseren Baugebiete, sondern auch neue Straßentypen, besondere Gebäude und verschiedene Gesetzesverordnungen werden erst nach dem Erreichen eines Meilensteins verfügbar. Dies hilf vor allem neuen Spielern, einen leichten Einstieg in das komplexe Simulationsspiel zu finden, denn weiterführende Mechaniken werden erst ab einer bestimmten Bevölkerungsanzahl eingeführt. Zu Beginn kümmert man sich einfach nur um den Ausbau der Straßen, das Ausweisen von Baugebieten, die Stromversorgung und die Wasserver- und entsorgung. Mit wachsender Bevölkerung, wird es durch neue Gebäude komplexer und spannender.
Die Stromversorgung wird am Anfang des Spiels über Windkraftanlagen oder Kohlekraftwerke realisiert. Hier ist auf Lärmbelästigung und Luftverschmutzung zu achten, denn die Bewohner der Stadt leben nicht gerne direkt neben einem Gebäude zur Stromgewinnung. Wer also ein Kraftwerk baut, sollte es möglichst weit entfernt von seinen Wohngebieten ansiedeln. Um den Strom nun zu den im Dunkeln sitzenden Cims zu transportieren, müssen Stromleitungen gebaut werden. Nur so können weitere Strecken überwunden werden. Wenn ein mit Gebäuden bebautes Gebiet nun mit Strom versorgt ist, müssen keine weiteren Leitungen gezogen werden. Ein kleiner Nachteil bei dieser Lösung ist, dass die Stromleitungen nicht einfach überbaut werden, wenn ein Gebiet so weit wächst, dass es die Stromleitungen einschließt. Das heißt für den Spieler, dass sie per Hand abgerissen werden müssen. Das hätte besser gelöst werden können.
Damit die lieben Stadtbewohner auf die Toilette gehen oder sich mal ein Wasser aus der Leitung gönnen können, muss die Wasserver- und entsorgung gewährleistet sein. Hier werden zuerst einmal Wasserpumpen oder Wassertürme für das Frischwasser und Abwasserrohre für – nun ja – den Rest benötigt. Dieses System wird unter Tage mit Rohren verbunden. Wenn man seine Bürger am Leben erhalten möchte, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass man keine Abwasserrohre vor eine Wasserpumpe setzt. Das Spiel simuliert den Lauf des Wassers in den Flüssen und wer hier unachtsam ist, kann seine Bevölkerungsanzahl recht schnell dezimieren.
Da die Cims nicht nur Abwasser produzieren, sondern auch noch eine Menge Müll, muss sich auch um dessen Beseitigung gekümmert werden. Hier kommen zu Beginn Müllhalden und eine Armada von Müllfahrzeugen zum Einsatz. Später ist es aber auch möglich hier auf bessere Gebäude zurückgreifen.
Um Bränden, welche gerne in Industriegebieten ausbrechen, entgegenzuwirken sollte man Feuerwachen bauen. Für die Verbrechensbekämpfung ist es nötig Polizeistationen zu bauen. Da es im Spiel möglich ist, sowohl einzelnen Cims als auch Fahrzeugen zu folgen, ist aufgefallen wie gut die Simulation funktioniert. Dies ist eine große Stärke des Spiels, denn es wird nicht wie bei anderen Genrevertretern nur eine Illusion durch einfaches Spawnen Fahrzeugen erzeugt, sondern wirklich simuliert, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. Eine kleine Merkwürdigkeit ist hier allerdings schon aufgefallen. Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht haben keine Vorfahrt im Spiel und so kann es bei dichtem Verkehr schon einmal vorkommen, dass die Feuerwehr zu spät am Ort des Geschehens auftaucht. Auch die Polizei fährt hier mit eingeschaltetem Blaulicht brav im normalen Stadtverkehr mit, wenn sie ein anderes Fahrzeug vor sich hat.
Was wäre ein ernsthafter Bürgermeister ohne seine Statistiken? Wahrscheinlich schnell arbeitslos, weil seine Stadt nicht lange existiert. Genau um das zu verhindern, gibt es in Cities: Skylines massig informative Informationen zu finden. Der Spieler hat die Möglichkeit jedes einzelne Objekt, sei es nun ein Cim, ein Fahrzeug oder ein Gebäude, anzuklicken und sich in einem kleinen Fenster Informationen anzeigen zu lassen. Hier verbirgt sich auch die oben genannte Funktion einzelnen Bewohnern und Fahrzeugen nach zustellen und so einen Eindruck der Tagesabläufe zu bekommen. Des Weiteren befindet sich am linken oberen Rand des Bildschirms ein Button, welcher verschiedenste Statistiken zu Tage fördert. Kaum geklickt und schon öffnet sich ein informatives Fenster und die gesamte Stadt wird passend eingefärbt. Dies hilft in vielen Fällen um Problemen auf den Grund gehen zu können.
Ab dem Erreichen einer bestimmten Bewohneranzahl wird es möglich, seine Stadtgrenzen zu erweitern und dies ist ein weiterer Punkt, welcher Cities: Skylines von seiner prominenten Konkurrenz abhebt. Kleine begrenzte Städte gehören der Vergangenheit an. Es soll laut den Entwicklern möglich sein Städte mit bis zu 11 Millionen vollständig simulierten Einwohnern zu erstellen. Spätestens hier können Sim City und Co. einpacken.
Grafik
Cities: Skylines basiert auf der aktuellen Unity 5-Engine und hat grafisch eine gewissen Ähnlichkeit mit der Konkurrenz von Maxis. Die Gebäude der Stadt haben einen amerikanischen Touch aber Colossal Order hat schon angekündigt, dass z.B. europäische Stile nachgeliefert werden. Gerade bei maximaler Zoomstufe kommt der sehr schöne Tilt-Shift-Effekt zum Vorschein und der stetige „Wuselfaktor“ weiß zu gefallen.
Das Spiel bietet einige Anpassungsoptionen für die Grafik. Die Stärke des Tilt-Shift-Effekts lässt sich ebenso regeln wie beispielsweise die Detailstufe, die Schatten- und Texturqualität oder die Schattenlänge. Außerdem lassen sich Anisotropisches Filtern und Anti-Aliasing de- oder aktivieren und es ist möglich einen Farbkorrektur-Filter über das gesamte Geschehen zu legen.
Auf dem Testsystem – ein Intel Core i5-Laptop mit 4GB Arbeitsspeicher und einer GeForce 640M LE mit 1GB – läuft das Spiel durchgängig knapp unter 30 Frames pro Sekunde bei mittleren Details. Dies fühlt sich in diesem Fall noch spielbar an, könnte aber besser sein. Bei einem Simulationstitel fällt die Framerate hier nicht so stark ins Gewicht. Gegebenenfalls kann Colossal Order hier noch etwas Leistung mit Patches herauskitzeln. Interessierte finden die offiziellen Systemanforderungen im Steam Store.
Hinweis: Weitere Daten zur Framerate werden an dieser Stelle nachgeliefert, sobald die neue DIY: Steam Machine fertig zusammengebaut und eingerichtet wurde.
Auf einigen Auflösungen ist die im Spiel verwendete Schriftart sehr klein geraten und man muss sich sehr konzentrieren, wenn man etwas erkennen will. Solche Probleme gab es schon des öfteren bei Spielen des Publishers Paradox und man kann nur hoffen, dass dies noch behoben wird.
Sound
Der Sound von Cities: Skylines gibt kaum Anlass zur Beanstandung. Die musikalische Untermalung des Spiels ist gefällig und niemals nervig. Die Geräusche der Stadt klingen realistisch und es macht Spaß, immer wieder etwas näher heranzuzoomen um den Klängen des Treibens zu lauschen.
Einzig die Tatsache, dass selbst in ruhigen und noch nicht wirklich weit entwickelten Wohngebiete ein ziemlicher Lärm herrscht, wirkt ein wenig komisch. Das ist in diesem Fall aber Meckern auf hohem Niveau und lässt sich sicherlich noch beheben.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass die Mädels und Jungs von Colossal Order hier (fast) alles richtig gemacht haben. Cities: Skylines macht durchgängig Spaß und wird den interessierten Spieler immer wieder zurück in seinen Bann ziehen.
Über die wirklich marginalen Probleme lässt sich leicht hinwegsehen und man darf auf eine fixe Behebung durch die Entwickler bauen. Auch Publisher Paradox Interactive ist dafür bekannt, sich lange um seine Titel zu kümmern und hat sogar schon weitere Arbeiten am Spiel angekündigt.
Ich persönlich kann das Spiel jedem Fan von Aufbausimulationen und auch neugierigen Spielern, die vorher noch nichts mit dem Genre zu tun hatten, empfehlen. Hier kann sich so manch großer Entwickler eine riesige Scheibe abschneiden. Wir haben eine neue Genre-Referenz und vor allen Dingen endlich eine Städtebausimulation auf Linux, die auch durch ihre Mod-Unterstützung lange aktuell bleiben kann.
ich würde das Game gern spielen – das fehlt im Artikel….
Was genau fehlt denn?
Klasse Beitrag! Macht weiter so!
Auf solch ein Spiel hab ich Jahre gewartet (gerade für Linux) und es macht richtig süchtig 😀
Danke für die Blumen. 🙂
Ich bin auch total begeistert vom Spiel und denke, da werden wir noch ganz ganz viel Freude dran haben. 😀