Nach Baldurs Gate, Baldurs Gate II und Icewind Dale ist Planescape Torment schon der vierte Titel auf Basis der Infinity-Engine, den das internationale Team von Beamdog, hauptansässig in Edmonton, Kanada, modernisiert hat. Und ein besonderes Spiel ist es dazu!

Als ich vor der Ankündigung auf das Thema Planescape Torment Enhanced Edition angesprochen wurde, äußerte ich mich über die Restaurierung eines meiner «all time favourites» erfreut und etwas ängstlich zugleich. Letzteres, wegen der Auswirkungen möglicher inhaltlicher Änderungen. Gut, dass die Befürchtungen schon wenige Tage später mit der Ankündigungserklärung weitgehend ausgeräumt wurden, als sich nämlich herausstellte, dass Chris Avellone höchst persönlich zusammen mit Beamdog an der Restaurierung seines Werkes gearbeitet hatte.

Am 11.04.2017 erschien sie dann, die Enhanced Edition von Planescape Torment, bei Steam und GOG. Für die uns zur Verfügung gestellte Testversion möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal herzlich bei Beamdog bedanken.

Wir werden uns im Folgenden zunächst mit dem Original von 1999 auseinandersetzen, um Lesern, die das Spiel noch nicht gespielt haben eine Orientierung zu ermöglichen. Anschließend beschäftigen wir uns mit den Details der Enhanced Edition, um festzustellen, was diese für das Spiel tut und welche Änderungen oder Ergänzungen es gibt, um so zu ergründen, ob und für wen sich der Kauf der Enhanced Edition lohnt.

Planescape Torment ist kein Baldur’s Gate

Als ich im Januar 2000 pünktlich zum deutschen Verkaufsstart das Spiel Planescape Torment erwarb, erhoffte ich mir davon ein Spiel im Stile von Baldurs Gate. Immerhin wurde es auf der gleichen Engine realisiert. Wie ich bald merken sollte, hielten sich die Gemeinsamkeiten inhaltlich allerdings in sehr engen Grenzen. Das fing bei der Charaktererstellung an. Klasse, Geschlecht und Gesinnung wählen, Namen verteilen, das fand alles nicht statt.

Die Hauptfigur war ein Mann mit der Bezeichnung «der Namenlose», der ganz offensichtlich schon bessere Tage gesehen hatte. Seine Klasse war zu Beginn des Spiels nicht bestimmbar, das konnte man später im Spiel tun. Einzig seine Haupteigenschaften ließen sich festlegen, wobei ein besonderes Augenmerk offenbar auf die Wiedererlangung irgendwelcher Erinnerungen gelegt wurde.

Selbstsuche im Planescape Multiversum

Was es damit auf sich hatte, wurde deutlich, sobald man das eigentliche Spiel begann. Unser Alter Ego wachte nämlich in der ersten Szene des Spiels auf einer Liege in einer Leichenhalle der Stadt Sigil auf, ohne zu wissen wer er war, oder wie er dort hin kam. Kaum hatte er sich aufgesetzt, um sich zu orientieren, wurde er von einem schwebenden Totenschädel mit losem Mundwerk namens Morte angesprochen, der offenbar zusammen mit unserem Protagonisten in der Leichenhalle fest saß.

Während wir für die zwei einen Weg in Richtung Außenwelt suchen, kommen wir zu der Erkenntnis, dass der Namenlose eine Person ist, die nicht sterben kann, oder besser, bei der ein Tod nicht von langer Dauer ist. Schon bald nach jedem Ableben wacht der Namenlose wieder auf, mitunter, je nach Todesart, begleitet von Gedächtnisverlusten. Sein Körper ist übersät von den Spuren zahlreicher Tode. Auf seinem Rücken finden sich Hinweise auf ein Tagebuch, das er suchen muss und einen gewissen Pharod, den er aufsuchen soll.

Die Welt, die wir betrachten ist das Planescape Multiversum, also der Kosmos, der all die Advanced D&D Welten enthält. In seinem Zentrum steht die Stadt Sigil, die Stadt der Tore, von der aus viele Welten durch Portale erreichbar sind. Es entwickelt sich eine Geschichte, in der wir mit dem Namenlosen und verschiedenen Begleitern auf der Suche nach seiner sich ihm entziehenden Sterblichkeit, nicht nur skurrile Geschichten aus dem Planescape Multiversum erleben, sondern auch immer wieder über Spuren seiner ehemaligen, vergessenen Inkarnationen stolpern, oder Menschen begegnen, die ihn aus früheren Leben kennen, aber nicht immer Lieben gelernt haben.

Was Planescape Torment ist – und was nicht

An dieser Stelle noch mehr über die Geschichte zu verraten, wäre ein Verbrechen, und wird daher unterlassen. Dies kann das Spiel selbst viel besser erledigen. Wichtig ist es hier nur klarzustellen, was Planescape Torment ist, nämlich ein komplexes, interaktives Romanmeisterwerk in Gestalt eines Fantasyrollenspiels, in dessen Zentrum weder das Kampfsystem, noch die Rettung der Welt steht. Es ist eine persönliche Geschichte, ein Mann auf der Suche nach seiner Sterblichkeit, mit allen Verwicklungen die man in einer fantastischen Welt davon ableiten kann.

Kern des Spiels sind daher fast naturgemäß ausufernde Dialoge. Texte wegzuklicken und sich darauf zu verlassen, dass irgendein Questlog einem schon sagt, wann was zu tun ist, widerspricht dem Geist des Spiels völlig und es funktioniert auch nicht. Wer lange Texte nicht lesen mag, sollte lieber etwas anderes spielen.

Was bringt die Enhanced Edition?

Wer könnte Planescape Torment verdenken, dass es in die Jahre gekommen ist? Technisch war also, wie auch schon bei den zuvor von Beamdog modernisierten Infinity-Engine Titeln, einiges möglich. Zwar wurde die bei GOG erhältliche Version von Planescape Torment schon an moderne Rechner angepasst und konnte mit diversen Mods beispielsweise auf aktuellere Bildschirmauflösungen gebracht werden, allerdings wurde damit das Userinterface stark verkleinert, was der Spielbarkeit im Wege stand.

Für die Enhanced Edition wurde das Userinterface nicht nur an Auflösungen bis zu 4k angepasst, sondern in vielen Bereichen komplett überarbeitet und an die Bedienung moderner Rollenspiele angepasst.

Die größten Unterschiede sind:
  • Komfortfeatures, wie ein aus dem Startbildschirm erreichbares Optionsmenü und letzter Speicherstand, oder einstellbare Text- und Mauszeigergrößen.
  • Weniger Klicks nötig um Sprüche zu wirken, Waffen zu wechseln oder Gegenstände zu benutzen.
  • Ersetzung des Rechtsklickmenüs, welches große Bereiche des Bildschirms verdecken konnte.
  • Mehr Autopause Optionen verfügbar
  • Einführung einer Quicklootleiste
  • Keine Ladezeiten mehr bei Ortswechseln und weichere Übergänge
  • Kampf-Log jetzt vorhanden
Desweiteren wurde optimiert:
  • Sprache im Spiel änderbar
  • Option sich den Gesundheitszustand der Gegner anzeigen zu lassen jetzt vorhanden
  • Option für Heilung bei Rast
  • Option für maximale HP beim Stufenanstieg
  • Bild zoombar
  • Optionen zum Glätten des Bildes
  • Framerate justierbar
  • Informationen über Spezielfähigkeiten von NPCs jetzt abrufbar.
  • Informationen über Zaubersprüche leichter einsehbar.
  • Suchfunktionen im Journal und in Quest-Texten.
  • Manipulierbare Objekte hervorheben durch Tab-Taste.
  • Cloud Savegames
  • Steam Achievments und Trading Cards
  • Cheat Konsole verfügbar
  • Spezielle Tabletoberfläche anwählbar

Darüber hinaus, und dieser Punkt verdient es besonders hervorgehoben zu werden, wurde der komplette Text des Spiels von Chris Avellone gesichtet und überarbeitet. Er nutzte die Gelegenheit lange bekannte erzählerische Fehler zu beseitigen und grammatikalische Inkonsistenzen in der englischen Version des Spiels zu verbessern. Dabei sind keine grundlegend neuen Spielinhalte hinzugefügt worden. Anschließend wurden dann auch die Übersetzungen überarbeitet.

Meinung und Fazit: Wie spielt sich Planescape Torment Enhanced Edition?

Während der Leser die Frage, ob Planescape Torment grundsätzlich für ihn ein interessantes Spiel wäre hoffentlich spätestens nach dem oberen Abschnitt beantworten konnte, stellen sich nach dem unteren Abschnitt zwei weiterführende Fragen:

  1. Ist Planescape Torment EE noch Planescape Torment?
  2. Lohnt sich der Kauf im Gegensatz zur mit Mods aufgepeppten GOG Version?

Meine einfache und klare Antwort auf beides ist ja! All die Verbesserungen wirken nicht wie Zugaben. Es ist als gehörten sie einfach zum Spiel dazu. Als ich nach dem Anspielen der Enhanced Edition die CDs meiner Ur-Version mittels Wine installiert habe, war ich überrascht wie viel vom Interface darin noch gar nicht vorhanden war.

Um es einmal deutlich zu sagen: Die Spielgrafiken sind bis auf das User Interface nicht neu gezeichnet worden. Dass die Schauplätze trotzdem mitunter höher auflösend wirken, liegt vor allem daran, dass einfach mehr von der Karte auf einen Bildschirm passt und so die Pixel kleiner sind. Benutzt man die Zoom-Funktion, wird das Bild schnell wieder pixeliger. Dies betrifft vor allem die Character-Sprites, welche gezoomed bei eingeschalteter Glättung (lineare Skalierung) ein wenig verwaschen wirken. Dies hat mich dazu bewegt, besagte Glättung zu deaktivieren. Spiele mit Pixeln sind ohnehin wieder im Kommen. Auch der «Fog of War» bewegt sich Pixelcluster-förmig fort, wie das eben bei der Infinity-Engine üblich ist. Trotzdem spielt sich PTEE nicht wie ein aufgebrezeltes altes Spiel, sondern rund und völlig organisch.

Mein Fazit ist: Was Planescape Torment von 1999 bis 2017 war, ist Planescape Torment Enhanced Edition ab 2017: Die Version der Wahl, die beste Version des Spieles die man bekommen kann, ohne Kompromisse. Wer an einer wirklich großen Geschichte in RPG Gestalt mit viel wunderbarem, aber anstrengenden Text keinen Gefallen findet, für den ist natürlich auch die Enhanced Edition keine Verbesserung. Alle anderen haben nun aber keine Ausrede mehr.

PS) Wem dieser Artikel zu lang war, der sollte sich das mit den Torment-Spielen nochmal überlegen! 😉

 

Erhältlich auch bei GOG.com

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Gefühlte 10% der neu erscheinenden Computerspiele erhalten 90% der Aufmerksamkeit. Selbst unter Linux wird der Markt immer unübersichtlicher. Ich möchte hier unter anderem gern auf Spiele aufmerksam machen, die in meinen Augen einen genaueren Blick wert sind.

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